Ab in die Wüste!
Katharina Ceming schreibt darüber, was uns Wüstenväter und Wüstenmütter heute sagen können.
Einfach mal weg von allen Einflüssen sein, Einsamkei8t in der Wüste mit sich und Gott, ein Leben, dem Gebet gewidmet. So war der Lebensentwurf der sogenannten Wüstenväter und Wüstenmütter vor etwa 1700 Jahren. Sie war die Grundlage der heutigen klösterlichen Lebensformen. Ein Leben in strenger Askese sorgte natürlich auch dafür, dass sie mit den eigenen Dämonen und Lastern konfrontiert waren. Vorbilder auch für heute?
Sicher, sagt Katharina Ceming, Erfolgsautorin im Vier-Türme-Verlag. Ihr neues Buch "Ab in die Wüste!" will genau das herausstellen. Wie können wir mit den Wüstenvätern zu neuer Selbsterkenntnis kommen? Welche ihrer Methoden lassen sich auch auf die Gegenwart übertragen? Durchaus provokativ und differerenziert schaut sie auf die Wüstenväter, denn "so mancher Wüstenvater wäre heute eher Insasse einer psychiatrischen Klinik oder eines Gefängnisses denn einer Mönchsklause".
Tauchen Sie gemeinsam mit ihr in die faszinierende Welt der Ägyptischen Wüste ein und lassen sie sich mitnehmen auf eine inspirierende Reise zu den Quellen der Spiritualität.
Interview mit der Autorin Katharina Ceming
Frage: Was hat Sie dazu gebracht/inspiriert, sich mit den Wüstenvätern zu beschäftigen – sind deren Gedanken nicht mittlerweile völlig veraltet?
Katharina Ceming: Auf die Wüstenväter bin ich durch meine Beschäftigung mit Evagrius Ponticus aufmerksam geworden, der als Philosoph aus der Wüste galt. Durch Evagrius habe ich mich dann auch mit den anderen Vätern beschäftigt. Was mich an dieser Bewegung sofort begeistert hat, war ihr etwas anarchischer und wagemutiger Geist. Die ersten Wüstenväter gingen einen spirituellen Weg, der völlig neu war. Wie jede spirituelle Bewegung ist natürlich auch die der ägyptischen Wüstenväter in Zeitkontexte eingebunden. Mir hat es Spaß gemacht, die zeitlosen Elemente ihres spirituellen Wegs aus den zeitgebundenen Aussagen und Vorstellungen herauszuschälen.
Frage: Ab in die Wüste – das würden wir an manchen Tagen auch gerne. Aber ist es einfacher, sich abzuschotten oder eher eine Herausforderung?
Katharina Ceming: Ich glaube, die meisten von uns haben ab und an eine gewisse Wüstensehnsucht, um sich aus dem hektischen Getriebe des Alltags auszuklinken. Wenn wir den ägyptischen Experten trauen dürfen, dann sind unsere Vorstellungen von der ruhigen Auszeit in der Wüste, aber doch ziemlich naiv, denn die vermeintliche Ruhe wird durch die intensive Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen Inneren auf eine harte Probe gestellt.
Im Vorwort schreiben Sie, dass die „Welt der Wüste bunter ist“ – was erwartet Leserinnen und Leser in Ihrem Buch?
Katharina Ceming: Wir haben ja gewisse Vorstellungen von spirituellen Menschen, die meistens als sehr heilig aber manchmal auch als etwas langweilig gelten. Die Wüstenväter waren ziemlich vieles, aber ganz sicher nicht langweilig, was schon mit den vielfältigen Biografien zusammenhängt, die diese Menschen mitgebracht haben. Ich habe versucht, die unterschiedlichen spirituellen Lebensweisen und die damit verbundenen Herausforderungen - bei den Vätern unter dem großen Stichwort des Dämonenkampfes abgehandelt - anschaulich wiederzugeben.
Frage: Woher wissen wir heute so viel über die Wüstenväter?
Katharina Ceming: Glücklicherweise waren nicht alle Wüstenväter Analphabeten, sondern mit der Zeit kamen auch gebildete, des Lesens und Schreibens kundige Menschen in die Wüste, die viele Aussprüche der Väter gesammelt haben. Männer wie Evagrius haben selbst Texte verfasst.
Frage: Gibt es überhaupt „die Wüstenväter“ mit einer genuinen und eindeutig definierten Spiritualität?
Katharina Ceming: Was die Wüstenväter ganz konkret als spirituelle Praxis gemacht haben, wissen wir, wenn wir ehrlich sind, nicht. Eine Aussage, die sich in vielen Vätersprüchen findet, ist „Bleib in deinem Kelion“, ob damit tatsächlich eine Meditationsmethode verbunden war oder nur die Aufforderung, in der eigenen Stille zu bleiben und dort zu arbeiten, ist unklar. Neben den ägyptischen Wüstenvätern gab es in den umliegenden Ländern auch andere spirituelle Bewegungen, die zum Teil ganz andere Wege gegangen sind: die Gyrovagen, die als Wandermönche und Nonnen umhergezogen sind oder die berühmten Säulensteher, die ihr ganzes Leben auf einer Säulenplattform verbrachten.
Frage: Eine zentrale Säule in der Lebensform als Eremit/in ist die Askese. Teilweise klingen die Methoden skurril, sonderbar und fast masochistisch. Wie ist das im Zusammenhang mit der Gottsuche, auf der die Wüstenväter ja waren, zu erklären?
Katharina Ceming: Ja, zum Teil hat die traditionelle Spiritualität durchaus in ihrer extrem asketischen Ausprägung einen gewissen masochistisch wirkenden Zug. Für die antiken Christen war die Welt relativ klar in zwei Dimensionen geteilt: die materielle Welt, in der wir uns bewegen und die transzendente, geistige Welt des Göttlichen. Letztere ist gut und erstrebenswert, erstere ein Hindernis, um Gott zu erreichen. Dies erklärt zum Teil die brachialen Methoden, mit denen man versucht hat, die Seele und den Geist für die Gottesschau vorzubereiten und zu reinigen.
Frage: In drei Sätzen: Was können wir heute von den Wüstenvätern lernen?
Katharina Ceming: Bei all der Askese scheint ein großer Teil der Wüstenväter doch sehr gewitzt und pragmatisch gewesen zu sein. Sie haben sich intensiv mit den eigenen Triebregungen auseinandergesetzt und sie nicht verdrängt. Sie hatten ein ziemliches Durchhaltevermögen, und sie haben sich von kirchlichen Autoritäten auf ihren Wegen nicht besonders beeindrucken lassen.